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Härtefälle in Kleinsiedlungen

Der Bundesrat hat im Jahr 2018 den Kanton Thurgau beauftragt, bei einer nächsten Richtplananpassung seine Weiler/Kleinsiedlungen zu überprüfen. Zentral war die Frage, ob die heute in Bauzonen gelegenen Weiler/Kleinsiedlungen aufgrund ihrer Ausprägung und basierend auf den Vorgaben des Bundesrechts einer geeigneten Zone des Nichtbaugebiets zugewiesen werden müssen. In einem breit abgestützten, rund dreijährigen Prozess wurde die Richtplanänderung „Kleinsiedlungen“ (Stand: Dezember 2021) erarbeitet. Der Grosse Rat hat diese Richtplanänderung am 14. September 2022 genehmigt. Am 23. Februar 2023 erfolgte die Genehmigung durch den Bundesrat. Die betroffenen Gemeinden müssen nun ihren Zonenplan und allenfalls das Baureglement an die neuen Bestimmungen anpassen.

Mit der bundesrechtlich geforderten Überführung von Flächen in Kleinsiedlungen aus dem kantonalrechtlichen Baugebiet in das Nichtbaugebiet gehen mindestens subjektiv erhebliche Wertverluste einher. Da die bisherige Qualifizierung der entsprechenden Flächen als Bauzone bundesrechtswidrig war, muss davon ausgegangen werden, dass die Geltendmachung von Enteignungsansprüchen wenig erfolgsversprechend sein wird. Die Gerichtspraxis spricht in solchen Fällen von einer „Nichteinzonung“. Die Grundstücke hätten nie Bauzone sein dürfen, weshalb auch keine Entschädigungsansprüche bestünden.

Der weitaus grösste Teil der Betroffenen wird die planungsrechtlichen Änderungen also ohne Entschädigung hinnehmen müssen. In Einzelfällen kann dies zu existentiellen Problemen führen. Der Kanton Thurgau hat deshalb das Gesetz über Vereinbarungen zur Milderung finanzieller Härtefälle von raumplanerischen Massnahmen in Kleinsiedlungen (GVKS) erlassen. Es ist per 1. April 2023 in Kraft getreten. 

Das GVKS sieht vor, dass der Kanton mit betroffenen Grundeigentümerinnen und Grundeigentümern zur Milderung finanzieller Härtefälle Vereinbarungen über die Gewährung von Beiträgen, Darlehen oder Bürgschaften abschliessen kann.

Mein Grundstück liegt in einer Kleinsiedlung und wurde "ausgezont". Kann ich Enteignungsansprüche geltend machen? 

Diese Frage kann nicht generell beantwortet werden. Massgebend sind die konkreten Umstände im Einzelfall. Es wird an dieser Stelle auf das Gesetz über die Enteignung (TG EntG; RB 710) verwiesen. Werden Enteignungsansprüche geltend gemacht, kommt der Abschluss einer Vereinbarung gestützt auf das GVKS nicht in Frage. 

Nach Einschätzung meiner Rechtsanwältin liegt in meinem Fall eine "Nichteinzonung" vor, weshalb ich keine Enteignungsansprüche geltend machen könne. Kann ich gestützt auf das GVKS Ansprüche geltend machen?

Es besteht kein Rechtsanspruch auf Beiträge, Darlehen oder Bürgschaften gemäss GVKS. Wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, kann aber eine Vereinbarung abgeschlossen werden. Eine entsprechendes Gesuch muss spätestens ein Jahr nach Rechtskraft der massgeblichen Umzonung eingereicht werden. Das Gesuchsformular finden Sie hier [pdf, 304 KB].

Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit eine Vereinbarung gemäss GVKS abgeschlossen werden kann?

Eine Vereinbarung über die Gewährung von Beiträgen, Darlehen oder Bürgschaften kann nur abgeschlossen werden, wenn die objektiven und subjektiven Voraussetzungen gemäss GVKS erfüllt sind.

Was sind die objektiven Voraussetzungen für den Abschluss einer Vereinbarung?

  1. Der geltend gemachte Härtefall muss in engem Zusammenhang mit einem Grundstück innerhalb einer in den Anhängen 1 oder 2 der Kleinsiedlungsverordnung aufgelisteten Kleinsiedlung stehen.
  2. Das Grundstück muss in der Zeit vom 1. Januar 2013 bis 31. Dezember 2019 durch Kauf zu einem damals marktnahen Preis erworben worden sein.
  3. Dem Grundstück muss durch rechtskräftige raumplanerische Massnahmen eine baulich nutzbare, zusammenhängende Fläche von mindestens 400 m² entzogen worden sein.

Was sind die subjektiven Voraussetzungen für den Abschluss einer Vereinbarung?

  1. Die Gesuchstellerin oder der Gesuchsteller ist eine natürliche Person (und nicht eine juristische Person wie zum Beispiel eine Aktiengesellschaft oder eine GmbH).
  2. Die Gesuchstellerin oder der Gesuch-steller kann nachweisen, dass sie Eigentümerin oder Eigentümer des betroffenen Grundstücks ist.
  3. Die Gesuchstellerin oder der Gesuchsteller kann unter Vorlage der massgeblichen Dokumente glaubhaft machen, dass der Entzug der Bebaubarkeit zu einem persönlichen finanziellen Härtefall führt.

Welche finanziellen Hilfen sind möglich?

Pro Vereinbarung können Beiträge, Darlehen oder Bürgschaften von höchstens Fr. 150'000 geleistet werden. Der Regierungsrat kann den Betrag in begründeten Ausnahmefällen erhöhen.

Habe ich Anspruch auf eine finanzielle Hilfe gemäss GVKS?

Nein. Es besteht kein Rechtsanspruch auf Beiträge, Darlehen oder Bürgschaften gemäss GVKS.

Ich möchte mit dem Kanton eine Vereinbarung gemäss GVKS abschliessen. Wie muss ich vorgehen?

Sie müssen das vollständig und wahrheitsgetreu ausgefüllte Gesuchsformular [pdf, 304 KB] und die dort aufgeführten Beilagen einreichen. Sorgen Sie für eine möglichst vollständige Dokumentation, damit Ihr Gesuch speditiv und mit Aussicht auf Erfolg behandelt werden kann.

Wo muss ich mein Gesuch einreichen?

Das Gesuch ist an folgende Adresse einzureichen:

Departement für Bau und Umwelt 
Generalsekretariat 
Verwaltungsgebäude 
8510 Frauenfeld

Was passiert mit meinem Gesuch?

Zuerst wird geprüft, ob die objektiven und subjektiven Voraussetzungen als vorläufig erfüllt betrachtet werden können. Ist das der Fall, werden Sie schriftlich zu Verhandlungsgesprächen eingeladen. Andernfalls erhalten Sie eine schriftliche Mitteilung, dass die Voraussetzungen nicht erfüllt sind.

Ich habe vom Generalsekretariat ein Schreiben erhalten, dass die Voraussetzungen für den Abschluss einer Vereinbarung nicht erfüllt seien. Kann ich diese Mitteilung anfechten?

Nein, bei dieser Mitteilung handelt es sich nicht um einen anfechtbaren Entscheid.

Ich wurde zu Verhandlungsgesprächen mit Vertreterinnen oder Vertretern des Generalsekretariats eingeladen. Eine Einigung konnte allerdings nicht gefunden werden. Nun habe ich vom Generalsekretariat ein Schreiben erhalten, dass die Gespräche abgeschlossen seien. Kann ich diese Mitteilung anfechten? 

Nein, bei dieser Mitteilung handelt es sich nicht um einen anfechtbaren Entscheid.